Immer, wenn ich darüber nachdenke, wer mutig in der Führung ist, fallen in erster Linie Menschen ein, die keine klassischen CEOs, geschäftsführende Gesellschafter oder Firmeninhaber sind.

„Ich setze auf Dialog.“ Sie wissen, wer diese Worte am Wochenende gesagt hat? Ja, genau, die ZDF-Journalistin Dunja Hayali. In ihrer Dankesrede für die Goldene Kamera in der Kategorie „Beste Information“. Was hat das denn mit „Digital Leadership“ zu tun, fragen Sie sich jetzt vielleicht? Tja, das ging mir auch so. Aber irgendwie geht sie mir nicht aus dem Sinn. Also versuche ich es mal mit einer Antwort.

Sie erinnern sich an meine Lieblingsstudie Disruptors: Five Characteristics That Differentiate Transformational Leaders, die fünf Kriterien als Erfolgsfaktoren identifiziert. Ein Digital Leader ist disruptiv, innovativ, mutig in der Führung, sozial hochkompetent und entschlossen.

Immer, wenn ich darüber nachdenke, wer mutig in der Führung ist, fallen mir in erster Linie Menschen ein, die keine klassischen CEOs, Geschäftsführende Gesellschafter oder Firmeninhaber sind. Natürlich weiß ich, dass es sie gibt. Und sollten Sie so eine_r sein, melden Sie sich bitte umgehend bei mir! Nein, für mich sind das Menschen wie unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel oder Dunja Hayali.

Wie mit Menschen umgehen, die durch den digitalen Wandel in Panik geraten?
Sie haben Glück, dass die ZDF-Moderatorin gestern diesen eigentlich ja recht unpolitischen Medienpreis gewonnen hat. Denn sonst hätte ich Ihnen an dieser Stelle aus rein organisationsprozessualer Sicht hergeleitet, warum Frau Merkel in großen Teilen ein Digital Leader ist – und an manchen Stellen eben nicht. Und welche Konsequenzen das für die Bundesrepublik Deutschland hat bzw. haben könnte. Und als ich das Ganze so gedanklich durchgespielt hatte, fiel mir auf, dass ich eines nicht auf der Rechnung hatte. Diese Stakeholder – das ist ein Fachbegriff aus der Kommunikation für Beteiligte –, die man mit dem gesunden Menschenverstand gar nicht mehr erreichen kann. Die in ihren Ängsten so sehr gefangen sind, dass sie lieber an Verschwörungstheorien glauben als sich mit den komplexen und eben nicht so leicht zu lösenden Fragestellungen der Realität auseinanderzusetzen.

Das Phänomen der Echokammern, dem kürzlich eine wissenschaftliche Studie gewidmet worden ist, hat Wissensredakteur Sebastian Herrmann bei Süddeutsche Online anschaulich beschrieben. Und an diesem Punkt stellte ich mir vor einigen Tagen die Frage: Wie man wohl mit Menschen in Unternehmen umgeht, die durch den digitalen Wandel in Panik geraten und Gefahr laufen, alles kaputt zu machen? Sie merken schon, wir sind beim Kriterium „mutig in der Führung“ angelangt.

Was soll mit Führungskräften und Mitarbeitern gesehen, die sich dem Change-Prozess widersetzen?
Mutig in der Führung bedeutet für mich, unbeirrt an einer Vision oder einem visionären Unternehmensziel festzuhalten. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es Menschen gibt, denen das leichtfällt, mutig in die Zukunft zu gehen und Veränderungen auf den Weg zu bringen. Das heißt aber nicht, dass sie immer in der Lage sind, die Menschen um sie herum so zu motivieren, dass sie bereit sind, mitzugehen. Doch wer sich wie bei Star Trek mutig ins Dunkle wagt, um fremden Galaxien entgegenzugehen, der braucht eine zuverlässige Mannschaft, ein eingeschworenes Team. Was, wenn dem nicht so ist?

John P. Kotter, Change-Experte und Professor für Führungsmanagement an der Harvard Business School, hat einen 8-Step-Process for Leading Change entwickelt, die Basis seiner Beratung für Veränderungsprozesse in Unternehmen. Doch ich frage mich, was mit Führungskräften und Mitarbeitern geschehen soll, die die Notwendigkeit zur Veränderung nicht einsehen und sich dem Change-Prozess widersetzen. Entlassen? Kann man machen, muss man aber nicht? Wie kann ich diese überzeugen? Hier kommt das Kriterium des Digital Leadership ins Spiel, das in der oft zitierten Studie mit „sozial hochkompetent“ überschrieben wurde. Der Chef sollte einen Weg finden, sein Team zu überzeugen. Durch Wertschätzung, Freiraum und Anerkennung sowie Kommunikation auf Augenhöhe. Aber sicherlich auch überzeugend sein durch Erfolge, die er bereits erzielt hat, durch Zuverlässigkeit und mutiges Leadership.

Hayali ist ein Vorbild, weil sie auf den Dialog setzt
Eine solche Persönlichkeit ist in meinen Augen Dunja Hayali. Ihr bewundernswerter Mut, ihre unglaubliche Geduld mit Andersdenkenden, vor allem aber ihre rigorose Konsequenz gegenüber denen, die Grenzen überschreiten, sollte bei Managern Schule machen. Sie kämpft um die Meinungsfreiheit und die Freiheit der Berichterstattung, aber auch für Respekt und Offenheit Menschen gegenüber, die anders sind als sie. Hayali ist ein Vorbild, weil sie auf den Dialog setzt, was mühsam ist, Zeit kostet und so schmerzhaft sein kann, dass es an manchen Tagen sicherlich kaum auszuhalten ist. Sie argumentiert sachlich, ist aber als Mensch herrlich unkompliziert und emotional. Und weil sie so unendlich mutig ist, ist sie ein Vorbild – für andere Journalisten, für Führungskräfte und für ganz normale Menschen wie mich.

Ich verneige mich vor Dunja Hayali! Vor ihrem Chef Thomas Fuhrmann, der wie ich einst für Studio 21/Frontal gearbeitet hat, vor ihrem Team und vor allen, die sie unterstützen. Denn Mut und Haltung werden wir brauchen, um diese Organisation Bundesrepublik Deutschland für die Zukunft aufzustellen als einen lebenswerten, offenen Ort. Wir sind aufgefordert, ihre Werte wieder zu erkennen und zu verteidigen, gegen verzweifelte und ängstliche Menschen, die hasserfüllt sind und keine Lösungen bieten.

Wie Dunja in ihrer Dankesrede sagt: „Wahrheit braucht Zeit.“

Seien Sie mutig. Es lohnt sich. In diesem Sinne sage ich leise, wie zu mir selbst, Thank God, it’s Leadership Monday!

Ihre Christiane Brandes-Visbeck