Vor einer Woche haben wir getestet, ob Sie ein “Chef aus der Hölle” sind. War wohl nicht so schlimm, denn Sie sind ja immer noch hier. Und Sie lesen weiter. Okay, dann kommen wir jetzt vom Testen zum Experimentieren.

Meine These: Kolumnisten helfen Menschen in Not. In den 1960/70er Jahren wäre meine Zielgruppe wohl die moderne Ehefrau in der Bundesrepublik Deutschland gewesen, die alles richtig machen will. In einer Zeit, in der die Anti-Baby-Pille sorgenfreien Sex ermöglichte, in der es gesellschaftlich akzeptabel wurde, sich scheiden zu lassen, und in der verheiratete Frauen auch ohne die Erlaubnis ihres Ehegatten einen Arbeitsvertrag unterschreiben durften, suchten vor allem Frauen in der gesellschaftlichen Mitte nach Orientierung. Waren sie auf diese Veränderungen vorbereitet? Wohl kaum.

Für das digitale Denken sind Topmanager zuständig

Auch heute, im Zeitalter der digitalen Transformation, geht es darum, das Richtige zu tun. Doch wer soll sich kümmern? Wer ist für das Thema zuständig? Bis vor kurzem konnte alles, was mit “digital” zu tun hatte, in die IT-Abteilungen und Produktentwicklung delegiert werden. Doch jetzt hat die Fachöffentlichkeit, befeuert durch Studien und lautstark geäußerte Experten-Stimmen, die Top-Manager ins Visier genommen. Sollen sie doch die Digitale Transformation auf den Weg bringen, diese überbezahlten Unternehmenslenker mit ihren überhöhten Gehaltschecks, Eckbüros und Dienstwagen, die bisher nur darauf achten mussten, dass Investoren und Inhaber ihren “return-on-invest” erhielten. Und nun stehen Sie da, meine sehr verehrten Damen und Herren. Jetzt sollen Sie etwas richten, von dem Sie gar nicht so genau wissen, was es ist, wozu es gut sein kann – und was so en passant Ihre mühsam aufgebaute Karriere gefährdet. Puh. Und wenn Sie sich dem nicht stellen wollen, dann werden Sie auch noch als Chefs aus der Hölle bezeichnet. Pfff. Also dann eben diese Kolumne für Menschen in Not.

Zeit für ein “Umdenken im Kopf”

Mein Job ist, Sie zu ein paar Gedanken-Experimente zu animieren. Es geht um das “Umdenken im Kopf”.

Es gibt viele Gründe, warum sich Umdenken lohnt. Immer dann, wenn wir mit unseren bisherigen Konzepten, Philosophien und Erfahrungen nicht mehr weiter kommen. Wenn Sie das Gefühl haben, sich im Kreis zu drehen und nicht weiter zu kommen. Die tollsten Aktionen und Produkte nützen Ihnen gar nichts, wenn Ihre Marke unter einem schlechten Image leidet oder Ihre Mitarbeiter überdurchschnittlich unzufrieden sind. Da nützt es nicht, sich die Situation von Beratern schön reden zu lassen oder ehrliche Führungskräfte, die es gut mit Ihnen meinen, als illoyal zu entlassen. In Zeiten der digitalen Transformation geht es darum, ganz genau hinzusehen. Opel hat aus diesem Grund 2014 die crossmediale Kampagne Umparken im Kopf gestartet. Die Idee dahinter:

“Was wir denken, bestimmt, was wir sehen. Und Dinge, über die wir ein vorgefasstes Urteil haben, sehen wir oft überhaupt nicht mehr.”

Opel hat mit dieser crossmedialen Aktion, die über klassische Medien und Social Media gespielt worden ist, rund 40 Prozent der deutschen Autokäufer erreicht, die verstanden haben, dass Opel neue Wege gehen will. Sie investieren in Carsharing, CarConnecivity und alles das, was die digitale Zeit für Autobauer so im Köcher hat. Und ihr Chef Dr. Karl-Thomas Neumann kommuniziert seit 2010 als @KT_Neumann als erster europäischer Vorstandschef eines Autoherstellers auf Youtube und Twitter. Über Twitter bekommt er ungefiltertes Feedback von Opel-Fans und Autobegeisterten. Also Informationen, die sonst ChefsekretärInnen und der enge Führungskreis ausfiltern. Wie wichtig Dr. Neumann seine Twitter-Kontakte sind, erfahren wir aus seiner aktuellen Weihnachtsansprache auf YouTube, in der er die Unternehmenserfolge darstellt und dafür auch seinen Twitter-Followern dankt.

Auch ein anderer deutscher Autobauer veröffentlicht zum Weihnachtsfest eine Videobotschaft: Dr. Dieter Zetsche, Vorstandsvorsitzender von Daimler, zeigt ebenfalls die Erfolge seines Unternehmens per Videobotschaft auf. Aber am Schluss dankt er nicht der Öffentlichkeit oder seinen Dienstleistern und Kunden, sondern allen Kolleginnen und Kollegen für ihren großartigen Einsatz. Als ich diesen Clip zum ersten Mal gesehen hatte, dachte ich: alles richtig gemacht! Tradition (Weihnachten feiern und saisonale Grüße versenden) und Moderne (technische Errungenschaften in schnellen Schnitten als Videoclip öffentlich zeigen) werden formal interessant verbunden. Doch was ich besonders gelungen finde, ist die Einsicht, dass in Zeiten der digitalen Transformation manch eine interne Botschaft auch extern gespielt werden kann und soll: Fast jeder Mitarbeiter wird Zugang zu YouTube haben. Und jeder kann voller Stolz den Link an Freunde und Bekannte schicken, um zu zeigen, was sie 2015 im Betrieb Tolles erreicht haben.

Mit dieser Dankeschön-Aktion wird ein Phänomen unterstützt, das Sie alle kennen und Digital Leader besonders beherzigen. Marc Stoffel, von den Mitarbeitern gewählter CEO der haufe-umantis AG und einer der großen Digital Leadership-Gurus in Deutschland, hat es in seinem TEDx-Talk über Work Imagined im November des Jahres so formuliert:

“Mitarbeiter wünschen sich gute und starke Leader. Sie würden sich – wenn sie die Wahl hätten – immer für eine Führungskraft entscheiden, von der sie sich inspiriert fühlen und lernen können.”

Zurück zu Ihnen. Ich bin mir ganz sicher: Auch Sie sind bestimmt nicht ein geborener Chef aus der Hölle. Auch Sie können Ihren Mitarbeitern „Danke” sagen und sie in Zukunft mehr inspirieren. Damit haben Sie den ersten Schritt zum Digital Leader gewagt! Vielen Dank für’s Mitdenken und Danken.

Bis zum nächsten Montag und einer neuen Folge meiner Kolumne Thank God, it’s Leadership Monday.

Fröhliche Weihnachten wünscht Ihnen,

Ihre Christiane Brandes-Visbeck