Barack Obama hat es gerade auf der Bits&Pretzels in München sehr deutlich gesagt:
„Mehr Diversität ist ein Antrieb für Exzellenz. Es geht dabei nicht darum, politisch korrekt zu sein. Es tut der Organisation gut. Alle von uns haben Stärken und Schwächen, unterschiedliche Erfahrungen und Perspektiven. Je stärker die Mischung unterschiedlicher Ansichten, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit für frische Ideen.“
Der ehemalige US-amerikanische Präsident ist davon überzeugt, dass mehr Frauen in Vorstände und Aufsichtsräte gehören. Weil die unterschiedlichen Perspektiven von Männer und Frauen auf Themen für Entscheidungsfindungen wichtig sind. Frauen in Führungsetagen nutzen Firmen, weil sie anders an Dinge herangehen. Eine Untersuchung der Unternehmensberatung Ernst & Young etwa zeigt, dass Unternehmen mit weiblichen Vorstandsmitgliedern mehr Umsatz und Gewinn machten als rein männlich geführte Firmen.
„Mixed Leadership“, heißt die neue Zauberformel für erfolgreiche Führung. Unternehmen, die mit der Zeit gehen und successful business betreiben wollen, erhöhen ihre Frauenquote im Top-Management. So wie die XING SE, seit dem 1. Oktober zur NEW WORK SE umfirmiert, deren Aufsichtsrat noch im Frühjahr 2019 eine „Zielgröße Null“ für einen weiblichen Vorstand formuliert hatte, jetzt überraschend mit Petra von Strombeck eine neue Vorstandsfrau berufen hat, die Ende Mai 2020 sogar den Vorstandsvorsitz übernehmen soll. Denn, so Andreas Weck seinem aktuellen Beitrag über Frauen und Karriere auf t3n: „Nichts, wirklich überhaupt nichts, bringt einfacher eine Vervielfachung der Perspektiven, breitere Erfahrungen, unterschiedliche Problemlösungsansätze sowie das Abdecken einer breiteren Zielgruppe, als Diversität in den Teams bis in die Unternehmensführung. Wer Diversität lebt und bewusst fördert, ist quasi auf einen Schlag um vieles reicher, kreativer, besser.“
„Verrückt, wie gestrig ehemals selbstverständliche Männerrunden inzwischen anmuten und wie wenig wir sie mit Zukunft und Erfolg verbinden.“
Und so strengen sich Firmen unter der wachsamen Beobachtung von EY Mixed Leadership-Barometer und AllBright Berichten der deutsch-schwedischen AllBright Stiftung neuerdings ersthaft an, den Anteil an Top-Managerinnen zu erhöhen. Leicht ist das nicht. Wie oft hören wir immer noch Sätze wie: „Es gibt keine geeigneten Frauen.“ oder „Wir würden sie ja einstellen. Aber die Frauen wollen nicht.“ Nicht mehr ganz so öffentlich, eher hinter vorgehaltener Hand. Denn eines ist allen Beteiligten klar: Veränderungen – vor allem Umdenken – ist anstrengend. Niemand gibt seinen Posten her. Und wer freut sich schon auf die hochqualifizierten, zumeist sozial kompetenten und lösungsorientierten Wettbewerber? Solange die Unternehmenskultur es noch erlaubt, bleibt man oberhalb der gläsernen Decke noch gerne unter sich. Und stellt weiterhin ganz entspannt diese ewig gestrigen „Ja, aber“-Argumente in den Raum.
Schauen wir uns diese Sätze genauer an.
1. „Es gibt keine geeigneten Frauen“
OMG. Das Argument von den nicht vorhandenden qualifizierten Frauen ist eine Ausrede auf Stammtischniveau. Wer sich auf dem Spielfeld von Bundesliga-Sportvereinen oder auf dem Fechtboden einer schlagenden Verbindung umschaut, findet auch keine geeiegnten Frauen. Natürlich sind sie nicht einfach so da. Die müssen erstmal identifiziert und hereingelassen werden. Es gibt auf allen Karrierebenen genügend kompetente Frauen, die sich beruflich gern verbessern würden. Könnte sein, dass man für sie die Spielregeln etwas anpassen müsste. Kürzere Meetings. Weniger Abendtermine. Mehr Effektivität. Bisher setzen sich nur die kämpferischen Frauen durch. Sie machen auf sich aufmerksam und rütteln an den Vorstandstüren. Doch was ist mit denen, die einfach nur für ihre Leistung gesehen werden wollen? Die gefragt werden möchten, so wie ihre männlichen Kollegen? Immer wieder höre ich von Vorständinnen, dass sie bei der Vergabe des CEO-Postens nicht auf die Shortlist kommen. Oder von findigen Gründerinnen, dass ihnen die großen VC-Beträge nicht angeboten werden. Denn bei der Vergabe von Spitzenpositionen gibt es diese eine unausgesprochene Regel:
„Männer werden nach Potenzial eingestellt. Frauen nach Erfahrung.“
Das heißt übersetzt: Männern traut man Neues zu, Frauen das, was sie schon unter Beweis gestellt haben. Auch die NEW WORK SE hat gerade eine Kandidatin gewählt, die sich bereits als Vorstandsvorsitzende bewährt hat. Petra von Strombeck leitet seit Mai 2012 den Vorstand der Lotto24 AG. Sie hat die Marktkapitalisierung des Unternehmens mehr als verzehnfacht. Damit hat sie bereits beweisen, dass sie unternehmerische Risiken eingehen kann und Marktpotential zu nutzen weiß. Doch hätte man sie ausgewählt, wenn sie diese Position bisher nicht innegehabt hätte? Wir wissen es nicht. Warum Zweifel berechtigt wären, zeigt eine Studie des Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel von 2017. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass es eine kulturelle Norm gibt für die unterschiedlich gezeigte Riskofreudigkeit von Männern und Frauen: Männer sehen sich von ihren Geschlechtsgenossen zu höherer Risikobereitschaft gedrängt, während Frauen sich ganz generell und besonders unter Frauen zurückhaltender geben. „Männergruppen riskieren wider besseren Wissens zu viel, Frauengruppen lassen wider besseren Wissens Chancen ungenutzt,“ so ein Sprecher der IfW-Studie. Daraus läßt sich ableiten: Männer verreißen gern mal eine Chance, doch bleibt das meist folgenlos. Frauen tendieren dazu, Wachstumsmöglichkeiten zu ignorieren. Denn sollte etwas schief gehen, werden sie zur Verantwortung gezogen. In diversen Teams würden beide Geschlechter „normaler“ agieren. Ein guter Grund, warum diese kompetenten, erfahrenen und eher zurückhaltenden Frauen einem männlich geprägten, also recht riskofreudigen Top-Gremium gut zu Gesicht stünden.
2. „Wir würden sie ja einstellen. Aber die Frauen wollen nicht.“
Ja, es stimmt. Viele Frauen wollen aktuell nicht ins Top-Management. Das kann an übernommenen Rollenbildern liegen, die nicht nur von Männern, sondern auch von Frauen gepflegt werden. Noch immer denken Frauen von sich selbst, sie müssten netter sein als Männer, ihre Sache besonders gut machen, eben perfekt sein. Und – Hand aufs Herz – viele Männer mögen diesen fleißigen, präzisen und bescheidenen Frauentyp in der Firma. Kolleginnen und Mitarbeiterinnen sollen die Kümmerer sein. Hinzu kommt, dass die Zuschreibung „ehrgeizig“ bei Frauen fast nie positiv gemeint ist. Was bei Männern als normales Verhalten gilt, wird Frauen als aggressiv oder zickig ausgelegt. Damit ecken Führungsfrauen an. Besonders, wenn sie allein unter Männern sind. Denn vielen ist gar nicht bewusst, wie sehr ihre bedingungslose Zielorientierung den männlich geprägten Entscheidungsrunden entgegen laufen.
Es ist doch so: Frauen wollen schnell Ergebnisse. In Meetings stellen sie ohne Umschweife durchdachte Optimierungsstrategien vor und erwarten sofortige Zustimmung. Damit halten sie sich nicht an das männliche Ritual der Hierarchiebildung. Sie müssen, bevor sie Sachthemen behandeln, erst einmal klären, wer sich auf welcher Hierarchiebene befindet. Denn wenn Männer nicht wissen, wo ihr Platz in der Hierarchie einer Gruppe ist, können sie nicht gut verhandeln. Denn notfalls kann der Einflussreichste ein Macht-Wort sprechen, mit dem jede Sachdiskussion unterbunden wird. Das führt zu weniger qualifizierten Entscheidungen, die eine verantwortungsbewusste Top-Managerin nicht mittragen wollen würde. Also bleiben sie den hierarchiegeprägten Top-Gremien lieber fern. Wenn jedoch mehr Frauen in Besprechungen und an Konferenztischen sitzen, ändern sich Meeting-Kulturen und Entscheidungsfindungsprozesse. In dieser Kultur werden Frauen mit ihrem Verhalten keine Außenseiterinnen mehr sein. Erst dann können neue Rollenbilder von Frauen und Männern entstehen.
Ich bin mit sicher, dass Barack Obama an diese Veränderungen gedacht hat, als er auf der Bits&Pretzels erklärte, er habe bereits in seiner Amtszeit gelernt, dass der Redeanteil der männlichen Mitarbeiter zwar deutlich höher war, dass dies aber nicht immer zielführend gewesen sei. Daher habe er sich darum bemüht, mehr junge Frauen für entscheidende Posten in der Politik zu motivieren und zu fördern. Er sähe auch an seinen Töchtern, dass da eine Generation heranwachse, die Diversity deutlich selbstverständlicher einfordere als frühere Generationen. Sein Fazit:
„Diversity in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft ist kein Akt der Nächstenliebe, sondern ein Motor für Exzellenz.“
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