Gestern war Valentinstag. Dieser Pseudo-„Wir-haben-uns-alle-lieb”-Tag, den Männer gern vergessen – trotz flächendeckender Fernsehwerbung und Hörfunkspots von Onlineblumenhändlern und Süßwarenherstellern.

Genau wie Halloween wurde dieser Tag nur initiiert, um den Konsum anzukurbeln. Damit die Wirtschaft noch mehr Umsatz macht! Kann man so sehen. Muss man aber nicht. Heute plädiere ich aus gegebenem Anlass für Digital Leadership mit Herz.

Kennen Sie das? Ihr Studienfreund leidet bei einem Mitbewerber unter einem unfähigen Vorgesetzten, der wohl nach dem Peter-Prinzip (hier lustig erklärt) befördert wurde. Die Mitarbeiter haben größtenteils innerlich gekündigt, weil sie in ihrer Arbeit keinen Sinn mehr sehen und den Glauben daran, dass es woanders besser sein könnte, aufgegeben haben. Er selbst identifiziert sich – ganz ehrlich – auch nicht mehr so sehr mit seinem Job. Vielleicht, weil er im Mittelmanagement tätig ist und es niemandem Recht machen kann. Sein Chef schreit, die Mitarbeitern stöhnen. So macht Arbeit keinen Spaß!

“Workiga” – Aktivisten für frustrierte Führungskräfte
Wenn Sie diese Kolumne schon länger lesen, wissen Sie, dass ich zu den unverbesserlichen Optimisten gehöre, die glauben, dass wir unser Schicksal selbst in der Hand haben und vieles zum Besseren verändern können. Klar könnte ich Ihnen immer montags erzählen, was für unglaubliche Dinge ich als Führungskraft erlebt habe. Mit Lästern, Hetzen und Stöhnen könnte ich den Nerv meiner Leser treffen, die Reichweite dieser Kolumne blitzartig in die Höhe treiben und im nächsten Schritt eine “Workiga-Bewegung” starten. Also, so eine Art Pegida für frustrierte Führungskräfte.

Doch ich halte nichts davon, sich nur die Wunden zu lecken und Opfer zu sein. Das ist weit unter unserem Leadership-Niveau. Gerade als Führungskraft haben wir die Chance, vieles zu verändern. Wenn wir mit gutem Beispiel vorangehen und unsere Mitarbeiter durch Transparenz, Zuhören, Verständnis und Anerkennung davon überzeugen mitzuziehen.

In dem ganz hervorragenden “Harvard Business Manager”-Sonderheft Change Management. Wie agilen Unternehmen der Neustart gelingt hat mich der syndizierte Gastbeitrag “Bitte recht freundlich” von Gary Hamel, Autor einiger Business Intelligenz Bücher und Leiter der Internetplattform The Management Innovation eXchange (MIX), ganz besonders berührt – ein offenes digitales Innovationsprojekt, das sich zum Ziel gesetzt hat, Management für das 21. Jahrhundert neu zu erfinden.

Deprimierte Mitarbeiter
Hamel beschreibt auf mehreren Seiten, warum für den Gesundheitsdienstleister Lakelandcare, der rund 4.000 Mitarbeiter im Südwesten von Michigan beschäftigt und einen Jahresumsatz von knapp 500 Millionen Dollar vorzuweisen hat, ein leidenschaftliches Engagement aller Beteiligten für das Gelingen von Innovation wesentlich ist. In der beschriebenen Region leben hauptsächlich Menschen, die weniger verdienen als der amerikanische Durchschnitt, aber überdurchschnittlich häufig chronisch krank sind. Für einen auf maximalen Gewinn zielenden Gesundheitsdienstleister, der Krankenhäuser betreibt und Ärzte unter Vertrag hat, ein eher schwieriges Geschäftsumfeld.

Als ein neuer CEO antritt, stellt er schnell fest, dass die Patientenzufriedenheit von unter 50 Prozent deutlich unter den Zielwerten liegt, die die zuständige Behörde erwartet. Dieses Ergebnis ist deshalb wirtschaftlich relevant, weil der Staat es sich vorbehält, Krankenhäuser, deren Bewertung unter eine bestimmte Punktzahl fällt, mit geringeren Erstattungssätzen zu bestrafen. Dass das nicht nur den neuen Chef deprimiert, sondern vor allem auch die Mitarbeiter, die unter dem schlechten Ruf von Lakeland leiden und nicht gerade mit einem Lächeln auf den Lippen ihre Behandlungen durchführen, ist nicht verwunderlich.

Mitarbeiter überzeugen, menschlicher zu agieren
Als der neue Chef über kostenneutrale Maßnahmen nachdenkt, mit denen die Gesundheitsversorgung für die Patienten angenehmer gestaltet werden könnten, kommt ihm eine Idee: Die Mitarbeiter sollten künftig nicht nur ihre fachliche Expertise einbringen, sondern die Betreuung ihrer Patienten zu einer Herzensangelegenheit machen. Denn je freundlicher Patienten behandelt werden, desto positiver sind anschließend die Bewertungen.

Schöner Plan. Doch wie will man Mitarbeiter davon überzeugen, menschlich zu agieren, wenn sie ihr Arbeitsumfeld selbst als stressig und unmenschlich erleben? Im Artikel beschreibt Hamel anschaulich, wie schwierig es anfänglich war, die Teams zu menschlichem Verhalten zu motivieren. Als sich die ersten Erfolge einstellen und erste Geschichten über herzliche Begegnungen von Personal und Patienten die Runde machen, überlegt der CEO, wie er sich bei seinen Mitarbeitern bedanken kann.

Er veranlasste, dass jedes Mal, wenn ein Mitarbeiter sich mit einer freundlichen Situation oder persönlichen Geste hervortat, kurz darauf ein Krankenhaus-Manager zu dem besagten Mitarbeiter ging, um sich für diese Leistung persönlich und in Gegenwart der Kollegen herzlich zu bedanken. Bereits nach 90 Tagen waren 95 Prozent der Patienten mit den Leistungen von Lakelandcare zufrieden. Das erste Mal! Und weil die Patienten nun entspannter waren und mehr Glückshormone ausschütteten, führten die Behandlungen zu besseren Resultaten, was nicht nur die Patienten sondern auch die Mitarbeiter zufriedener machte.

Valentinstag für Mitarbeiter
Am Schluss seines Artikels zitiert der Autor Max Weber, der schon vor über einhundert Jahren beklagte, dass die von zunehmender Rationalisierung und Intellektualisierung geprägte Moderne eine “Entzauberung der Welt” zur Folge habe. Heute gilt diese Beobachtung mehr denn je. Wir planen, kontrollieren, messen – und bewerten Menschen wie Produktionsmittel. Wer funktioniert, den gewünschten Output liefert und keine dummen Fragen stellt, ist erwünscht. Viele der anderen machen sich selbstständig oder gehen in die betriebsbedingte innere Emigration. Und nun?

Der Valentinstag wäre so ein Tag, an dem man als Chef seine Mitarbeiter wertschätzen könnte. Ihnen dafür zu danken, dass sie (noch) da sind, dass sie weiterhin mitspielen und nicht aufgeben.

In diesem Jahr hatten Sie Glück: Der Tag der Liebe fiel auf einen Sonntag. Aber im nächsten Jahr sind Sie vorbereitet. Okay?

Bis zum nächsten Mal, wenn es wieder heißt Thank God, it’s Leadership Monday!

Ihre Christiane Brandes-Visbeck